Wie ich meinen Perfektionismus beim Musizieren besiegt habe und Du das auch kannst

Perfektionismus beim Musizieren

 

Perfektionismus beim Musizieren?

 

Manche Kreative schwören darauf.

 

Für andere – so wie mich – gilt mittlerweile:

 

Done is better than perfect.

 

Wie sieht's bei Dir aus?

 

In diesem Artikel erfährst Du, warum und wie ich meinen Perfektionismus nicht nur im Proberaum besiegt habe.

 

Denn ja: Er ist einer dieser Feinde, die sich zunächst gerne als Freunde ausgeben. Du weißt schon ... I bims, da ...

 

Meine Erfahrung soll Dir Mut machen und zeigen: Hey, es geht doch auch mit Ecken & Kanten. Denn seien wir ehrlich, wer ist schon aalglatt?

 

Außerdem erwarten Dich am Ende des Beitrags Übungen mit Fragen zum Thema.

 

Lies sie bitte nicht nur durch, mache sie auch.

Die zwei Seiten vom Perfektionismus beim Musizieren

Jede*r von uns ist wohl bis zu einem gewissen Grad Perfektionist*in.

 

Manche mehr, andere weniger.

 

Dabei gibt neben Mr. oder Mrs. Perfekt noch ein anderes Persönchen in unserem Kopf seinen Senf ab:

 

der innere Kritiker oder die innere Kritikerin.

 

Nenn ihn oder sie Depp, Doc Obvious oder schlicht Manu 2 – wenn er, sie, es zum verbalen Rundumschlag ausholt, nimmst Du besser die Beine in die Hand.

 

Klar: Perfektionismus ist nicht zwingend schlecht.

 

Er kann Dir auch dabei helfen, das Beste aus Dir herauszuholen.

 

Andererseits sollten wir uns nicht selbst ins Fäustchen lügen.

 

Denn Motivation dank Perfektionismus ist für viele Menschen lediglich der Idealfall.

 

Mich eingeschlossen:

 

Je perfekter ich damals als Schlagzeug Anfängerin musizieren wollte, desto verkrampfter wurde das Ganze.

 

  • Flow,
  • Groove oder 
  • Spielfreude?

 

Wenn Du auf heißen Kohlen sitzt, ist nur eine bestimmte Sache hot.

 

Deine Musik ist es in der Regel nicht.

 

Es dauerte lange, bis ich das erkannte.

 

Und heute?

 

Mit der Erfahrung kam etwas, das damals ein seltener Gast bei mir im Proberaum war:

 

Gelassenheit.

 

Doch wie kam sie dazu?

 

Im Endeffekt war es ganz simpel:

 

Mir wurde klar, dass ich Dinge nur auf eine Art durchziehen konnte: meine.

 

Entweder ich machte etwas unperfekt - oder eben gar nicht.

 

Ich konnte also

 

  • eine unperfekte Audition hinlegen - oder die Chance verstreichen lassen.
  • unperfekt in einer Band spielen - oder alleine bleiben.
  • unperfekt bloggen - oder weiterhin davon träumen.

 

Und daran hat sich bis dato nichts geändert.

Gelassenheit vs. höher, weiter, besser

Wenn etwas nicht funktioniert, dann musst/kannst Du es ändern. Und Perfektionismus funktionierte für mich nicht.

 

Es erforderte Mut, das zu erkennen. Jedoch gab es eine Sache, die noch unangenehmer als diese Erkenntnis war:

 

Andere daran teilhaben zu lassen. Unperfekt zu sein fühlte sich echt krass an.

 

Dabei bin ich in Sachen Perfektionismus heute natürlich nach wie vor nicht zu 100 % schmerzfrei.

 

Das ist vermutlich keiner von uns. Und damit wir uns nicht falsch verstehen:

 

Dieser Artikel ist kein Aufruf zur Schlampigkeit. No way!

 

Es ist meiner Meinung nach wichtig, hohe Ansprüche an Dich selbst und Dein Wirken als Musiker*in zu haben.

 

So wächst Du.

 

Alles andere wäre eine dreiste Lüge aus meinen Fingern.

 

(Lies hierzu unbedingt auch den Beitrag Done is better than perfect von Coach und Trainerin Silke Weinig. Darin geht's zwar weniger um Musik, aber das ist ist bei diesem Thema ja allgemein so.)

 

Jedoch kenne ich als Musiker*in viele andere Musiker*innen.

 

Daher weiß ich, wie schädlich Perfektionismus oft ist. Und dass er Dir metaphorisch gesprochen Dein Genick brechen kann.

 

Ich finde: Nicht nur als Musiker*innen dürfen wir uns zugestehen, dass etwas auch einfach einmal "nur" gut ist. Unperfekt.

 

In Ordnung.

 

Gesund.

 

Die zweite Geige eben.

 

Vielleicht reichts dieses Mal auch gar nicht aufs Treppchen.

 

Nimm an dieser Stelle dieses Video von mir als Beispiel.

Huch, das ist aber unperfekt musiziert

Es ist ein Drums Only Cover von Metallicas Whiskey In The Jar.

 

Während der Aufnahme hatte ich echt viel Spaß.

 

Wenn ich mir die Kommentare so durchlese, gefällt das fertige Stück auch vielen aus der Community.

 

Wunderbar.

 

Doch ist es perfekt? Nein!

 

Ich höre bei oberflächlicher Analyse mindestens drei Fehler.

 

Außerdem könnte der Klang meines Schlagzeugs noch viel besser sein.

 

Dennoch habe ich es veröffentlicht.

 

Und meine vorhergehenden und nachfolgenden Videos werden keine Ausnahme bilden.

 

Warum ich dann nicht noch mehr an ihnen arbeite, fragst Du?

 

Weil es dann keine Videos geben würde. It's simple as that.

 

Mein Anspruch an mich ist stets, das im aktuellen Moment Beste aus den mir zur Verfügung stehenden Ressourcen herauszuholen.

 

Das kann viel, aber auch weniger sein.

 

Perfekt bin ich als musikalischer Mensch sowieso nie.

 

Wir alle nicht, oder?

 

Selbst wenn ich ausschließlich im Tonstudio aufnehmen würde:

 

Klang und Präsentation bleiben letztlich Geschmackssache.

 

Genauso wie meine Persönlichkeit, die untrennbar mit meinen Inhalten verbunden ist.

 

Und das gilt für jeden von uns.

 

Als Musiker*in wirst Du nie jeden begeistern können.

 

Manche Leute werden Dich lieben.

 

Anderen wirst Du egal sein.

 

Und ja, einige Leute werden Dich auch unschön kritisieren – egal, wie perfekt Du oder Deine Werke Deiner Meinung nach sind.

 

Das ist Teil des Spiels.

Perfektionismus beim Musizieren: Ist besser immer besser?

Aus eigener Erfahrung kann ich sagen, wie schmal der Grad zwischen Perfektionismus und Nachlässigkeit sein kann.

 

Im Nachhinein betrachtet gibt es Diverses, das ich besser machen hätte können.

 

Sollen?

 

Das gilt übrigens nicht nur für meine YouTube-Videos, sondern auch für diesen Blog.

 

Meinen Musikunterricht.

 

Oder schlicht das Gespräch mit guten Freund*innen.

 

  • Besser zuhören.
  • Besser lehren.
  • Besser sein.

 

Es geht immer mehr. Scheinbar Perfekt.

 

Dummerweise zeigt sich das in der Regel erst in der Retrospektive.

 

Warum uns dann selbst verurteilen, wenn wir es in vielen Fällen nicht mehr ändern können?

 

In diesem Moment ging es halt nicht besser.

 

Lernen wir für die Zukunft daraus.

Und Cut für Mr. & Mrs. Perfekt

Musik und Perfektionismus

 

Wenn Du Dich in diesem Teil meiner persönlichen Geschichte wiedererkannt hast, bist Du nicht alleine.

 

Ich finde, das hat etwas Tröstendes.

 

Oft vergessen wir nämlich, dass das Gras auch auf der anderen Seite nicht grüner ist.

 

Außer es ist Kunstrasen. ;-)

 

Die weniger gute Nachricht ist jedoch:

 

Perfektionismus beim Musizieren hart, aber angemessen herzlich aus unserem Leben zu streichen, dauert oft so lange wie die Schlange vor einem Festival-Dixi-Klo breit ist.

 

Auch nützt es Dir nichts, wenn er Deinen authentischen Anspruch an Dich selbst als Musiker*in darstellt.

 

Wie zu Beginn erwähnt:

 

Manche Künstler*innen schwören darauf.

 

Und sicherlich ist ein gewisser Grad an Perfektionismus förderlich, wenn Du herausragend sein möchtest. Also wirklich, wirklich, WIRKLICH gut!

 

Doch willst Du das auch? Dann musst Du den Preis zahlen. Ich habe für mich beschlossen, dass ich das nicht möchte.

 

Musik ist nicht mein Leben. Ja, es ist einer der größten Mosaiksteine davon.

 

Aber eben nicht das komplette Ding.

 

Wäre es das, würdest Du diesen Artikel nicht lesen. Dann wäre ich nämlich schon längst über alle Berge beim Üben. ;-)

 

Leidest Du unter Deinem Perfektionismus beim Musizieren, hilft Dir eventuell auch diese Übung:

 

  • Gehe in Dich und überlege, ob Dich Dein Anspruch wirklich weiterbringt. Ist er für Dein persönliches Ziel überhaupt förderlich? Oder ist es – gefühlter oder tatsächlicher – Druck von Außen, der Dich hemmt?

 

Das ist meiner Erfahrung nach nämlich eine der größten Nebenwirkungen von Perfektionismus nicht nur beim Musizieren:

 

Er kann wie ein Korsett sein, in dem keine oder nur massiv eingeschränkte Handlungen möglich sind.

 

Aufgrund der Anstrengung unterlassen wir das Tun dann oft lieber.

 

  • Vielleicht ist auch Dein Selbstwertgefühl im Eimer? Es könnte sinnvoll sein, Dir dafür eine Aufbaukur zu gönnen. Glaube mir: Das ist nicht nur ein wahres Allheilmittel gegen Perfektionismus beim Musizieren.

 

Ist Perfektion für Dich Motivation? Auch wunderbar!

 

Denn wie gesagt: Für Dich muss es passen.

 

Jede*r Musiker*in darf und sollte seine oder ihre eigene Geschichte schreiben dürfen.

 

Misstöne werden sowieso oft nur von ungeübten Ohren gehört. Frag mal Schönberg. :-)

 

In diesem Sinne: Hau rein - so gut wie möglich und so perfekt wie nötig.

 

Alles Liebe Dir.

Manu

Übrigens ...

Du bist ein Härtefall in Sachen Perfektionismus beim Musizieren? Kenn ich. Hier noch eine Extra-Übung, damit Du ihn Schritt für Schritt besiegen kannst:

 

Lege für Dich fest, wann Deine Musik perfekt ist.

 

Kannst Du aktuell nicht?

 

Frag doch einmal einen Freund oder eine Freundin.

 

Jetzt zeigt sich das Dilemma:

 

Perfektion ist Ansichtssache.

 

Die Lösung:

 

Geh raus und gib Dein Bestes. Das kannst Du kontrollieren. Den Rest nicht.

 

Sei Du, sei großartig.

 

Das reicht.


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Kommentare: 6
  • #1

    Merie (Mittwoch, 29 März 2023 12:00)

    Danke Manu, für deine inspirierenden Worte, sie sind angekommen :-)

  • #2

    Manu Holmer (Mittwoch, 29 März 2023 14:34)

    Hi Merie,

    total gerne und das freut mich ungemein. :-)

    Alles Liebe Dir!

    LG
    Manu

  • #3

    Martina (Donnerstag, 14 November 2024)

    Boah! :oD Ich bin eine elende Perfektionistin, weswegen ich vermutlich auch schon seit Jahren als Technische Systemplanerin beruflich tätig bin. Die Planung muss passen, sonst gibts später Probleme ("Wenn wir bei der Planung versagen, planen wir zu versagen.")

    ABER genau diese, meine Eigenschaft, reibt mir mein Schlagzeug-Lehrer (habe im April '24 begonnen) immer wieder gern unter die Nase: Ich soll und darf "loslassen", locker sein, guter Dinge anstatt angespannt sein. Wenn ich beim Trommeln einen Fehler bemerke soll ich nicht panisch die Sticks in die Luft reißen und "scheiße" rufen :oD
    Ich darf den Fehler bemerken (was auch gut und wichtig ist) und dann soll ich einfach weiter spielen als wäre nichts gewesen - ganz cool. Jedenfalls gilt das für kleine Übungs-Stücke, die wir gemeinsam spielen. Er begleitet mich gern mit verschiedenen Instrumenten. Beim Üben alleine soll ich Fehler natürlich korrigieren um mir nix verkehrtes anzugewöhnen.

    Mein Perfektionismus und die damit verbundenen Ansprüche an mich selber lassen mich hier beim Lernen oft enttäuscht sein. Deswegen darf ich nun nicht nur dieses tolle Schlaginstrument lernen sondern auch "den liebevollen Umgang mit mir selber" in der Akzeptanz und Annahme von Fehlern, denn aus Fehlern lernt man.

    Wenn ich im gemeinsamen Musizieren mit meinem Schlagzeuglehrer mittlerweile 'nen Patzer reinhau, merk ich das natürlich, trommel munter fröhlich weiter, grinse zu ihm rüber (als Zeichen: hey, hab's gemerkt) und zieh das Stück bis zum Ende weiter durch.

    Liebe Manu, neben deinen musikalischen Inhalten finde ich es auch immer wieder ganz spannend wie psychologisch du gelegentlich schreibst bzw. wie du auf das "Ich-sein" von uns allen eingehst.

    Herzlichen Gruß aus Nürnberg

  • #4

    Manu Holmer (Samstag, 16 November 2024 13:58)

    Hi Martina,

    lieben Dank für Deinen Kommentar und hey, ich find Dein Motto bei der Planung super!

    Die ist echt wichtig, da kannst Du sicher auch sehr viel für Deinen Übeplan herausziehen.

    Und ja, da bin ich voll bei Deinem Schlagzeuglehrer.

    Das Loslassen, Leichtigkeit zurückgewinnen, ist eine total lehrreiche Herausforderung.

    Haha, musste beim "scheiße" Ausruf echt lachen. :-D

    Ich fühls sehr, war damals Fraktion "Sticks am liebsten vor Wut schnaubend durch die Luft schmeißen".

    Und klasse, genau das wird Dich weiterbringen!

    Bezüglich der Fehler muss ich auch sagen, dass daraus oft extrem krasse Dinge enstehen.

    Also schöne Dinge, aber der Perfektionismus kickt auch gerne mal hart rein.

    Da finde ich den achtsamen Umgang damit tatsächlich am wichtigsten.

    Denn nur "schlecht" ist Perfektionismus ja nicht, wie ich finde.

    Die Dosis macht das Gift.

    Aber es liest sich auf jeden Fall so, als wärst Du auf dem für Dich richtigen Weg.

    Das freut micht sehr und so darf's hoffentlich auch weitergehen! :-)

    Ich drück die Daumen.

    Das Schöne ist:

    Die Zeit ist beim Schlagzeug echt auf Deiner Seite.

    Ich hatte schon Jahre nicht mehr das Bedürfnis, Sticks zu schmeißen. ;-)

    Und ja, einer meiner Schlagzeuglehrer hatte damals gesagt:

    "Manu, Du spielst, wie Du bist."

    Da ist meiner Meinung nach viel dran, daher beschäftige ich mich gerne mit psychologischen Themen.

    Und auch, weil's mich einfach interessiert. :-D

    Aber das würde den Rahmen hier sprengen.

    Alles Liebe Dir, Martina.

    Schöne Grüße nach Nürnberg!
    Manu

  • #5

    Martina (Montag, 18 November 2024 13:20)

    Danke für das beedback. Hat mich sehr gefreut.
    "Denn nur 'schlecht' ist Perfektionismus ja nicht, wie ich finde. Die Dosis macht das Gift."
    So sehe ich das auch :o)
    Und eine Stöcke-durch-die-Gegend-Schmeißerin :oD bin ich (noch) nicht.
    Und schimpfen nach Patzern tu ich mich auch nur noch selten. Wird scho!

  • #6

    Manu Holmer (Mittwoch, 20 November 2024 10:57)

    Hi Martina,

    sehr gerne und das freut mich! :-)

    Ja, das muss auch nicht sein, bringt eh nur extra Aufwand.

    Absolut, da bist Du echt auf einem sehr guten Weg.

    Ist manchmal echt tricky, so eingefahrene Muster abzulegen.

    Wird!