Wie lange spielst Du schon Dein Musikinstrument? Diese Frage habe ich schon unzählige Male gehört. Ich antworte natürlich gerne darauf, obwohl ich sie in 75,21 % der Fälle nicht leiden kann. Denn ist es nicht so:
Die Anzahl der Spieljahre gibt doch keine Auskunft darüber, wie intensiv jemand etwas macht, oder?
Aus diesem Grund finde ich, dass diese Frage in 75,21 % der Fälle überflüssig ist.
Mehr noch: Sie kann destruktiv und demotivierend wirken, wie ich aus eigener Erfahrung weiß. :-/ Außer natürlich, jemand möchte sich wirklich nur nach Deiner individuellen Beschäftigungsdauer mit einem Instrument erkundigen.
Unter uns gesagt glaube ich jedoch nicht, dass dies abseits des Musikunterrichts oder einer Audition die Grundlage der Fragestellung ist.
Vielmehr denke ich, dass es sich bei ihr um einen (unterbewussten) Vergleichsversuch handelt. Und diese gehen ja nur allzu gerne nach hinten los.
Obacht! Spieldauer ist nicht gleich Spielkönnen
Jeder von uns ist einzigartig und auf seine oder ihre Weise wunderbar. :-) Daran lässt sich nicht rütteln. Aus diesem Grund finde ich es schade, wenn der Vergleich mit anderen diesen Fakt überschattet.
Klar, irgendwo sind Anhaltspunkte auch praktisch. Doch in der Musik ist es so wie in allen individuellen Bereichen des Lebens:
Kopflose Vergleiche bringens nicht. Die persönlichen Voraussetzungen, Bedürfnisse und Neigungen sind einfach zu verschieden. Und ganz ehrlich: Die Lebensläufe zweier Musiker*innen sind NIE identisch.
Was ist also die Bewertungsgrundlage?
So nutzt es prinzipiell wenig zu wissen, wie lange ich schon Schlagzeug oder Cajon spiele. Im Grund genommen ist das nämlich nur eine Zahl. Sie sagt nichts darüber aus, wie oft ich übe, in Bands spiele oder sonstigen musikalischen Aktivitäten nachgehe.
Ja, ich weiß: Manchmal ist es hilfreich, die Anzahl an Spieljahren zu wissen. Etwa im Rahmen einer Bewerbung, einer Biografie oder beim Start Deines Musikunterrichts für den Lehrkörper.
Es ist also ein Richtwert, jemanden und seine beziehungsweise ihre Erfahrungsschätze GROB einordnen zu können. Aber eben nicht mehr. Denn: Das Gesamtpaket entscheidet letztlich.
Du spielst die Musik! Alles andere ist egal
Vielleicht fragst Du Dich jetzt, warum ich so auf diesen wenigen Worten herumreite: Wie lange spielst Du schon Dein Musikinstrument?
Lass es mich mit einer persönlichen Geschichte beantworten.
Während meiner Ausbildung zur Ensembleleiterin für klassisches Schlagwerk hatte ich einen Mitschüler, der nicht annähernd so lange Musik machte wie ich. Er wurde jedoch stets viel besser benotet als ich.
Wie habe ich mich gefühlt? Du kannst es Dir denken: nicht gut. Scheiße, um genau zu sein. Mein Selbstbewusstsein als Künstlerin litt darunter.
Glücklicherweise habe ich irgendwann bemerkt, dass die Benotung als "ultimativer" Vergleich egal ist. Schließlich sagt sie nichts darüber aus, wie gut ich mein Wissen an Schüler*innen weitergeben kann, noch ob ich exakt in eine bestimmte Band passe. Oder eben nicht.
Außerdem - und das darfst Du nie vergessen - hat jede*r ganz eigene individuelle Stärken.
Bei einem Vergleich rücken diese gerne weiiiiit in den Hintergrund. Gibts da nicht so einen schönen Spruch? Den mit dem grünen Gras auf der anderen Seite? ;-) Das muss auch Frau erst einmal verinnerlichen.
Wie lange spielst Du schon Dein Musikinstrument? Wann ich das doch einmal frage
Wie weiter oben im Artikel erwähnt gibt es jedoch auch Momente, in denen die Frage nach der Spieldauer eines Instruments durchaus sinnvoll ist.
Bei mir ist das etwa dann der Fall, übernehme ich eine*n Schüler*in von einer anderen Lehrkraft. Die Frage hilft mir, einschätzen zu können, was eventuell schon an Vorerfahrung vorhanden sein könnte.
Nur allzu oft werfe ich meine ursprüngliche Erwartung anschließend wieder über Bord. Oder besser gesagt: fast immer. Denn wie schon erwähnt ist jeder Mensch einzigartig. Auch die Wünsche an den und das bisher Gelernte im Musikunterricht sind es.
Ich bin außerdem absolut keine Freundin davon, einen sturen Lehrplan abzuarbeiten. Klar, die Basics am Schlagzeug oder an der Cajon müssen sitzen. Ohne sie geht es nicht!
Wie lange jemand für deren Etablierung benötigt? Ich müsste lügen, könnte ich Dir eine verbindliche Zahl an Jahren hierfür nennen.
Das möchte ich aber auch nicht. Denn der Vergleich würde Dir und allen anderen Schüler*innen als Individuum einfach nicht gerecht werden.
In diesem Sinne: Sei nett zu Dir und vergleiche nicht Äpfel mit Birnen. Bist Du eine Mango? Auch das ist absolut in Ordnung. :-) Ein bunter Obstsalat schmeckt sowieso viel besser als immer fader Einheitsbrei.
Hau rein!
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